“GRAUZONE” by Patrizia Dander (German)

Ausgangsidee der von Motoko Dobashi und Kaori Nakajima initiierten Ausstellung war, die Räume in den „Kunstarkaden“ dramatisch zu verändern, sie in einem physischen, wie metaphorischen Sinn in eine Höhle zu verwandeln. Und durch den Raum und die darin präsentierten Arbeiten Zugang zu anderen, irrealen Welten zu eröffnen. Dementsprechend haben die Künstler an den Anfang des Ausstellungsaufbaus eine grundlegenden Eingriff in den Raum gesetzt: Die Fensterfront wurde verschlossen, Laufrichtungen verändert, Räume umgebaut oder verdunkelt, um im Umkehrschluß die Aufmerksamkeit wieder ganz auf die Arbeiten zu lenken. Dieser Ansatz der Aneignung und Neudefinition des Raumes ist im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einem zentralen Aspekt zahlreicher Arbeiten und Ausstellungskonzepte geworden und erscheint angesichts der räumlichen Situation in den „Kunstarkaden“ als eine geradezu notwendige Reaktion.

Ziel der Künstler war es, die Arbeiten in der Ausstellung einander gegenüber zu stellen und miteinander interagieren zu lassen. Die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse der in München lebenden Künstler aus Japan, Rumänien, Serbien und Deutschland kreuzen sich dabei ebenso sehr wie geteilte Bildwelten zwischen Kunstgeschichte und Computer. Bildhauerische Arbeiten finden sich neben figurativer Malerei, Collagen oder eigens für die Ausstellung und auf die spezifische räumliche Situation hin entstandene Videoarbeiten und Wandzeichnungen. Wenngleich die Werke jedes Künstlers für sich stehen und es nicht darum geht, sie entlang eines konzeptuell verbindenden Fadens zu präsentieren, ist ihnen eine gegenständliche Bildwelt und ein narrativer Ansatz gemeinsam.

Kaori Nakajimas Malerei und Collagen sind illusionistische Darstellungen stereotyper Personen in surreal anmutenden Umgebungen. In ihren Bildern folgen melancholische Denker, Akrobaten, japanische Comicfiguren oder Puppen rätselhaften Beschäftigungen. Arkadische Bildmotive und Paradiesgärten sind durch ruinöse Elemente in ihrer Ruhe gestört, Idyll und Katastrophe liegen beunruhigend nah beieinander. In ihrer assoziativen Anordnung erinnern sie an irrationale, subjektiv strukturierte Traumbilder, die sich jeglicher zeitlichen und räumlichen Logik verweigern. Für ihr neues Video hat Kaori ein reduziertes Setting mit theatral wirkender Beleuchtung gewählt. Eine Frau sitzt mit statischer Mimik auf einem Hocker. Bekleidet mit Perücke und roten Kimono führt sie langsame Bewegungen aus, wie eine Marionette, deren Glieder auf ihre Beweglichkeit hin überprüft werden. Stakkatoartige Schnitte bilden die Übergänge von Totale zu Porträtaufnahme, von bekleidet zu unbekleidet, von geschminkt zu ungeschminkt, Taktgeber ist meist der Figur. Es ergibt sich eine kontinuierliche Bewegung im subtilen Spiel mit Stereotypen und Schönheitsidealen immer an der Grenze zwischen Mensch und Puppe.

So unterschiedlich die künstlerischen Ansätze auf den ersten Blick erscheinen mögen, so eng werden die Bezüge bei genauerer Betrachtung. Was die Arbeiten vor allem verbindet ist der Wille zur permanenten Veränderung, der Mutation und der Infragestellung gegebener Strukturen, Bilder und Identitäten. Gemeinsam stehen sie für die Auseinandersetzung mit der „Grauzone“ unserer Wahrnehmung und unseres Daseins.

Patrizia Dander, 2008
Kuratorin am Haus der Kunst in München

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